Epidemiologie und Statistik (noch in Aufbau und Prüfung)

Die folgenden Kapitel dienen der Präsentation einiger gebräuchlicher Definitionen und Berechnungen, die zur Erstellung und Interpretation von Studien und epidemiologischer Aussagen hilfreich sind.

Auch in Klausuren, sowie in M1 und M2 werden diese Grundbegriffe abgefragt. Leider kreuzen die Prüflinge oft nur zufällig irgendetwas an, ohne sich kurz die Zeit zu nehmen, eine auf Multiplikation und Division basierende Rechnung durchzuführen. Die Zeit hierfür ist in der Regel allemal vorhanden.

Einige nicht prüfungsrelevante mathematische Hintergründe mögen dem geneigten Leser zur Festigung des Wissens dienen.

1. Definitionen:

1.1. Inzidenz und Prävalenz

Inzidenz: Neuerkrankungsrate. Angabe einer Zahl pro Population und pro Zeit. Beispiel: 10 von 100.000 pro Jahr
Prävalenz: Krankheitsbestand. Angabe einer Zahl pro Population. Beispiel: 12 von 10.000
Punktprävalenz: Krankheitsbestand am Stichtag.
Periodenprävalenz: Krankheitsbestand über ein definiertes zeitliches Intervall.
Lebenszeitprävalenz: Prozentuale Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine bestimmten Erkrankung zu bekommen.

 
1.2. Mortalität und Letalität

Letalität: Maß für die Schwere (Tödlichkeit) einer Erkrankung. Angabe der Zahl der Verstorbenen mit einer bestimmten Erkrankung geteilt durch die Anzahl aller Patienten mit derselben Erkrankung.
Mortalität: Anzahl der Verstorbenen in einer definierten Population pro Zeit geteilt durch die Anzahl aller (auch gesunder) Individuen dieser Population.

Beispiel: Die Mortalität bei Pankreaskopfkarzinom ist in der Bevölkerung niedrig im Vergleich zu seiner Letalität.

1.3. Epidemie, Endemie, Pandemie

Epidemie: Zeitlich und räumlich begrenzter Ausbruch einer Erkrankung
Endemie: Räumlich begrenzt, aber zeitlich unbegrenzt. Beispiel Jodmangel aufgrund der Wasserversorgung in einem bestimmten Gebiet.
Pandemie: Zeitlich begrenzt, aber räumlich unbegrenzt. Beispiel: Influenza.

1.4. Vierfeldertafel und Testgütekriterien

Vorab als Beispiel ein Auszug aus dem Staatsexamen M2 vom Herbst 2019:

"Um unnötige Wege für die Patienten Ihrer ländlichen allgemeinmedizinischen Praxen zu vermeiden, überlegt Ihr Qualitätszirkel der Allgemeinmediziner mit der Hautärztin in Ihrer Region eine teledermatologische Lösung. Zunächst möchten Sie dies für hautkrebsverdächtige Läsionen Ihrer Patientinnen und Patienten etablieren. Besonders wichtig ist Ihnen dabei, dass aufgrund der teledermatologischen Beurteilung anhand von Bildern kein Hautkrebs übersehen wird. Der Anteil an gefundenem Hautkrebs schwankt unter den allgemeinmedizinischen Praxen des Qualitätszirkels. Sie finden eine Studie zur teledermatologischen Beurteilung von hautkrebsverdächtigen Läsionen.

Welcher der im Folgenden aufgeführten Parameter aus der Studie ist von der Krankheitsprävalenz unabhängig und für Sie gemäß Ihrer oben beschriebenen Prioritätensetzung besonders wichtig?"

(A) Letalität(srate)
(B) negativ prädiktiver Wert
(C) positiv prädiktiver Wert
(D) Sensitivität
(E) Spezifität

Zur Klärung dieser und der nachgestellten Frage betrachte die folgende Vierfeldertafel:
Besonders wichtig war uns gemäß Aufgabe dass durch das Testverfahren kein Hautkrebs übersehen wird. Wir wollen also einen Test, bei dem ein Patient - wenn er krank ist, auch mit hoher Wahrscheinlichkeit positiv ist, oder anders gesagt, der einen hohen Anteil an "richtig positiven" an allen Kranken hat. Dies wird durch das Testgütekriterium der Sensitivität zum Ausdruck gebracht. Im Übrigen scheiden die alternativen Antworten, dadurch aus, dass beispielsweise der positiv prädiktive Wert von der Prävalenz abhängt und dass die Letalität kein Testgütekriterium darstellt. Die Bedeutung der anderen Antworten sind in der obigen Abbildung angegeben.

Ferner wird gefragt: 

"In der genannten Studie wurden 228 Patientinnen und Patienten anhand klinischer Bilder mit der Auflichtmikroskopie teledermatologisch darauf untersucht, ob ein Hautkrebs vorliegt oder nicht. 73,2% dieser zunächst teledermatologisch untersuchten Patient(inn)en wiesen dabei letztlich nach Vor-Ort-Vorstellung bei dem Hautarzt der Studie eine gutartige Hautveränderung auf. Die Sensitivität dieser Untersuchungsmethode mit der Auflichtmikroskopie betrug in der Studie 92,9% und die Spezifität 96,2%, der negativ prädiktive Wert 98,2% und der positiv prädiktive Wert 84,4%. Die Hautkrebsprävalenz sei in Ihrer Praxis gleich der Studienprävalenz.

Wenn Sie das teledermatologische Verfahren bei sich etablieren, wie hoch ist dann anhand der Studiendaten am ehesten die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, dass sich eine teledermatologisch mit Auflichtmikroskopie als gutartig angesehene Läsion bei Vor-Ort-Konsultation dennoch als bösartig herausstellen würde?"

Dies wäre zu erwarten etwa bei

(A) 2 von 100 dieser Patient(inn)en
(B) 4 von 100 dieser Patient(inn)en
(C) 7 von 100 dieser Patient(inn)en
(D) 15 von 100 dieser Patient(inn)en
(E) 27 von 100 dieser Patient(inn)en

Die eigentliche Frage lautet: Wie viele Patienten sind gemäß Test (teledermatologisch) negativ, jedoch in Wirklichkeit krank (bösartig).
Wir suchen also nach der Anzahl der falsch negativen ("C" in der Abbildung)
Wir verwerten nun die einzelnen Angaben:
Summe: 228
73,2% gesund, d.h. 26,8% krank gemäß Hautarzt.
In Patientenzahlen:
ca. 167 gesunde und 61 kranke Patienten.
Ferner erhalten wir die Testgütekriterien mit prozentualer Angabe. Wir verwenden eines, welches möglichst die gesuchte Variable "C" beinhaltet. (Hier hat das IMPP für eine Kopfrechenaufgabe etwas krumme Zahlen verwendet.)

Wir nehmen die Sensitivität, die man dezimal als 0,929 schreiben kann. Sie ist zu berechnen als A/(A+C), also
0,929= A/(A+C), wobei A+C, die Anzahl aller Kranken ja bereits bekannt ist mit 61.
Nach A aufgelöst ergibt dies ca. 51,5. Da A+C wiederum 61 ergeben muss, erhalten wir für C ca 4,3.

Die gesuchte Antwort bezieht sich wieder auf 100 Patienten, also als Prozentangabe.
Wenn also 4,3 von den gesamten 228 Patienten falsch negativ sind, so entspricht dies etwa 2%.
Alternativ hätte man auch direkt in Prozentwerten rechnen können.

1.4.1. Testgütekriterien: Sensitivität, Spezifität, Positiver Prädiktionswert, Negativer Prädiktionswert.

In Fragen hierzu werden die Begriffe jeweils umschrieben, weswegen ist wichtig ist, nicht nur den Begriff, sondern auch dessen Bedeutung zu kennen. Am einfachsten geht dies, indem man sich die Definition des jeweiligen Testgütekriteriums aus der Vierfeldertafel im Sinne einer bedingten Wahrscheinlichkeit ableitet. Dies klingt bedeutend komplizierter als es ist...

Die im Nenner stehenden Summen stellen jeweils die Bedingung dar, die auf eine bestimmtes Charakteristikum hinführen. Stehen beispielsweise "A+C" im Nenner, so sind wir in der Spalte "krank" d.h. unter der Bedingung dass man krank ist. Die Sensitivität ist somit die Wahrscheinlichkeit positiv zu sein unter der Bedingung dass man krank ist.

Was für eine Bedeutung hat nun der Negative Prädiktionswert? Nun die Formel lautet: D/(C+D) Die Bedingung muss also ein negatives Testergebnis sein. D sind die "richtig negativen" also gesunde Patienten. Somit kann man sich den Negativen Prädiktionswert erklären als die Wahrscheinlichkeit gesund zu sein unter der Voraussetzung , dass man negativ ist. 

Im einzelnen kann man die folgenden Definitionen erheben:

Sensitivität: Wahrscheinlichkeit positiv zu sein, wenn man krank ist
Spezifität: Wahrscheinlichkeit negativ zu sein, wenn man gesund ist
Positiver Prädiktionswert: Wahrscheinlichkeit krank zu sein, wenn man positiv ist
Negativer Prädiktionswert: Wahrscheinlichkeit gesund zu sein, wenn man negativ ist

Ferner:

Falsch-Positiv-Rate: Wahrscheinlichkeit positiv zu sein, wenn man gesund ist
Falsch-Negativ-Rate: Wahrscheinlichkeit negativ zu sein, wenn man krank ist

Cave Falsch-Positiv-Rate ist nicht gleich falsch positiv (B) und Falsch-Negativ-Rate ist nicht gleich falsch negativ (C)










Weitere Beispielaufgaben aus vorherigen Staatsexamina:

In einer Population eines großen Krankenhauses beobachteten Forscher 197 Fälle eines ischämischen Schlaganfalls bei Patienten im Alter von 65 Jahren und älter. Den Fällen wurden insgesamt 356 Kontrollen gleichen Alters und Geschlechts aus derselben Population zugewiesen und für Fälle wie Kontrollen festgestellt, ob ein metabolisches Syndrom vorlag. Definiert wurde das metabolische Syndrom für diese Untersuchung mit dem Vorliegen von mindestens drei der nachfolgend genannten Faktoren:
viszerale Adipositas, arterielle Hypertonie, Hypertriglyzeridämie, erniedrigtes HDL-Cholesterin, Diabetes mellitus Typ 2.
Es wurde folgende Verteilung von Exposition (Faktoren des metabolischen Syndroms) und Ereignis (ischämischer Schlaganfall) beobachtet:
 ischämischer Schlaganfall beobachtet (Fälle) kein ischämischer Schlaganfall beobachtet (Kontrollen) gesamt
kein Faktor 17 59 76
1-2 Faktoren 141 257 398
3-5 Faktoren 39 40 79
gesamt 197 356 553
Die empirisch ermittelte Odds Ratio, dass Patienten mit einem metabolischen Syndrom einen ischämischen Schlaganfall aufweisen, beträgt hier am ehesten:
• A
(39/17)/(40/59) = 3,38
• B
(39/158)/(40/316) = 1,95
• C
(39/141)/(40/257) = 1,78
• D
(39/197)/(40/356) = 1,76
• E
(39/79)/(158/474) = 1,48
Richtige Antwort: B

In einer Veröffentlichung schätzt die Weltgesundheitsorganisation, dass 70-90 % aller Malariaerkrankungen und -todesfälle durch entsprechende bauliche und landwirtschaftliche Maßnahmen nach dem Stand des heute verfügbaren technischen Wissens verhindert werden könnten.
Bezogen auf alle Malariaerkrankungen und -todesfälle ist hier also mit der Zahlenangabe vorrangig die Rede
• A
von der negativen Prädiktion
• B
vom Chancen-Verhältnis
• C
vom expositionsbezogenen attributablen Risiko
• D
vom populationsbezogenen attributablen Risiko
• E
vom relativen Risiko der Exposition
Richtige Antwort: D

Im Rahmen einer Reihenuntersuchung auf Tuberkulose wird der Thoraxröntgenbefund erhoben. Die Untersuchung ergibt, dass bei 100000 tatsächlich gesunden Patienten insgesamt 99800 negative Röntgenbefunde vorliegen.
Aufgrund dieser Angaben lässt sich am ehesten folgende Maßzahl ermitteln:
  • A
Inzidenz der Erkrankung
• B
Prävalenz der Erkrankung
• C
Sensitivität der Röntgenuntersuchung
• D
Spezifität der Röntgenuntersuchung
• E
positiver prädiktiver Wert der Röntgenuntersuchung
Richtige Antwort: D

Eine Medizinstudentin untersucht in ihrer Promotionsarbeit den Nutzen einer Bestimmung von freiem T3 (Triiodthyronin) für ein Screening auf Hyperthyreose. Hierfür untersucht sie in einem ersten Schritt die Konzentrationen von freiem T3 im Blut von 30 gesunden Probanden. Die Verteilung der ermittelten Werte entspricht einer Normalverteilung. In ihrer Studie beträgt der Mittelwert 2,8 pg/mL und die Standardabweichung (s) 0,7 pg/mL. Unter Zuhilfenahme der ermittelten Standardabweichung errechnet die Studentin im zweiten Schritt den für ihre Untersuchung gültigen Referenzbereich, der sich üblicherweise dadurch auszeichnet, dass er rund 95 % der Messergebnisse umfasst.
Welcher der nachfolgend genannten Bereiche entspricht − mathematisch gesehen − am ehesten dem Bereich, in dem ca. 95 % der Probanden-Werte liegen (angegeben sind hier − näherungsweise − die untere und obere Begrenzung dieses Bereichs)?
• A
1,4 bis 4,2 pg/mL
• B
2,1 bis 3,5 pg/mL
• C
3,5 bis 8,0 pg/mL
• D
0,7 bis 1,4 pg/mL
• E
1,4 bis 2,8 pg/mL
Richtige Antwort: A

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